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Dienstag, 7. Januar 2014
Gedanken zum 20. Todestag unseres Sohnes
lightnings, 09:07h
"Sag ihm ´Tschüss`, wer weiß wann du ihn wieder siehst.", habe ich zu meinem Mann gesagt, als er morgens los musste. Ich würde mit Marvin zum Arzt fahren und hatte kein gutes Gefühl.
Dass unser Sohn Stunden später tot sein würde, war nicht in meinen Gedanken.
Heute ist es 20 Jahre her. Am 07. Januar 1994 ist Marvin gestorben. Geboren am 1. Weihnachtstag 1993.
Das erste Jahr danach ist stückweise so gut in Erinnerung, als wäre es gestern gewesen, dann wieder gar nicht in Erinnerung, als hätte es nicht stattgefunden.
Abgesehen von prägnanten Situationen, habe ICH nicht stattgefunden.
Manchmal denke ich heute, dass die Tatsache, dass wir noch unseren Ältesten hatten (damals gute 3 Jahre alt), mich überhaupt im Leben gehalten hat.
Ein Jahr hat es gedauert, bis ich auch mal an etwas anderes denken konnte, als daran, dass mein Sohn gestorben ist.
Ein Jahr Fassungslosigkeit, Verzweiflung, Kampf, Tränen, Überforderung.
Funktionieren für den Erstgeborenen, akzeptieren, dass mein Mann sich in die Arbeit flüchtet, einsehen, dass die Erde sich einfach weiterdreht. Totale Trauer, totale Finsternis und absolute Hoffnungslosigkeit.
Dann kam die Wut. Schon im Krankenhaus hatte ich gemerkt, dass mit Marvin etwas nicht stimmte. Warum hat mich keiner ernst genommen? Warum passiert uns das? So viele Kinder werden nicht geliebt, nach der Geburt ausgesetzt, misshandelt...
warum wird uns unser Sohn genommen?
Ich habe dann akribisch den Obduktionsbericht durchgearbeitet. Habe mir die ganzen Fachausdrücke übersetzt, wollte einen Schuldigen finden, dem ich meine Wut und Verzweiflung ins Gesicht schleudern kann.
Es folgten Gespräche mit Frauen - und Kinderarzt und ich musste akzeptieren, dass es nicht zu retten war.
Selbst wenn man den 4fachen Herzfehler entdeckt hätte, so wäre niemand auf die Idee gekommen, dass die Speiseröhre nicht am Magen endet, sondern einfach vorher abzweigt.
Das dauerte ebenfalls ein gutes Jahr. Es tat gut einfach etwas zu tun. Meinen Job hatte ich gekündigt, weil ich nicht einfach so weitermachen konnte, als wäre nichts geschehen. Inzwischen trauten Bekannte sich wieder an uns ran, aber durch meine Wut hielten es nur die Vertrautesten in unserer Nähe aus.
Nach der Wut kam die Trotzphase. "Das Leben ist mir was schuldig" war meine Devise. Wir umgaben uns mit Freunden, feierten viel, haben quasi trotzig ´das Leben in vollen Zügen genossen`.
Irgendwann war auch das vorbei und wir kamen wieder in die Spur. In dieser Zeit habe ich dann auch die "Marvin-Geschichte" aufgeschrieben. Bis ins kleinste Detail, jedes Wort und jeden Blick. Das hat mir sehr geholfen.
Viele Gespräche zwischen uns machten deutlich, dass mein Mann ebenso leidet wie ich, es nur anders handhabt.
Wir versuchten bewusst wieder zueinander zu finden. Nicht nur oberflächlich, sondern tatsächlich.
Das war ein weiter Weg und schließlich wussten wir: wir wagen es, wir möchten noch ein Kind.
Am 01. Januar 1998 ist uns dann ein gesundes Baby geschenkt worden.
Genau in die "Lebenszeit von Marvin" hinein. (25.12.-07.01.)
Abgesehen davon, dass wir natürlich große Angst hatten, dass wieder was passiert, sind wir damit wieder im Leben angekommen. Gelegentlich hatte ich ein schlechtes Gewissen Marvin gegenüber, weil wir ihn irgendwie "ersetzt" hatten. Aber der Gedanke war dann auch immer schnell wieder weg. Das eine hat ja mit dem anderen nichts zu tun.
Obwohl also alles schön war jetzt, war es jedes Weihnachten wieder so weit: Trauer. Und ich konnte mir nicht vorstellen, dass das jemals aufhören würde. Jedes Jahr am 07. Januar bin ich zum Friedhof gepilgert, habe Blumen und Kerzen gebracht und mit meinem verstorbenen Sohn ´geredet`.
2005, also 11 Jahre nach Marvins Tod, traf ich auf eine spirituelle Lehrerin, die mir gleich sagte, dass eine Seele bei mir sei. Ein Junge. Ich brach in Tränen aus, erzählte ihr alles und begann eine spirituelle ´Ausbildung` bei ihr. Das war der Beginn meines bewusst spirituellen Weges und vor allem, bedeutete es Heilung für mich.
Seitdem habe ich meinen Frieden gemacht mit dem was geschehen ist. All meine drängenden Fragen wurden beantwortet. Warum ist das geschehen? Wie geht es meinem kleinen Sohn jetzt? Habe ich Fehler gemacht?
Dann endlich konnte ich loslassen und annehmen was passiert ist.
Aus spiritueller Sicht hat jede Seele ihren ureigensten Plan wenn sie auf diese Welt kommt. Dinge die erlebt werden wollen, Herausforderungen die gemeistert werden wollen, Lektionen die gelernt werden wollen.
Marvin, also die Seele, wollte Geburt und Tod erfahren. Das war sein Plan und den hat er durchgezogen. :)
Meinem Glauben nach suchen wir uns, bevor wir auf die Erde kommen, die Eltern aus, die uns erlauben unsere gewünschten Erfahrungen zu machen.
Wir wiederum haben uns bereit erklärt diese Erfahrung als Eltern zu machen.
Natürlich haben wir hier auf der Erde unseren freien Willen und jederzeit Entscheidungsfreiheit und Macht. Wichtig ist aber, dass wir an keiner Erfahrung die wir hier machen zerbrechen "müssen". Wir haben als Seele erklärt, diese Erfahrung machen zu wollen, weil wir uns für stark genug hielten.
Man kann von dieser Sicht sicherlich halten was man will, mir hat es geholfen, das Geschehene zu akzeptieren - und - dankbar zu sein.
Nur durch das alles bin ich auf den spirituellen Weg gekommen. Ich weiß das Leben zu schätzen und bin dankbar für Dinge, die für andere selbstverständlich sind.
Ich habe eine große innere Kraft gewonnen durch den Tod meines Sohnes. Was bitte soll mich ernsthaft verletzen, wenn ich DAS überstanden habe?
Zudem bin ich glücklich darüber, dass wir Marvin, also der Seele, diese Erfahrung ermöglicht haben und ich weiß, dass er glücklich ist, dass wir unser Leben weiterhin genießen.
Auch das ist ein ganz wichtiger Punkt in meinen Augen. Unsere lieben Verstorbenen leiden mit uns wenn wir sie nicht loslassen können.
Was ich ebenfalls recht klar erkannt habe ist, dass Trauer sehr sehr nah am Selbstmitleid ist. Der Übergang ist recht fließend.
Vielleicht gehe ich in einem gesonderten Beitrag noch einmal genauer darauf ein. Dieser hier ist Marvin gewidmet. :)
Marvin. Geboren am 25.12.1993 in Oldenburg, gestorben am 07.01.1994 im Krankenwagen auf der Autobahn zwischen Oldenburg und Bremen.
Ich freu mich schon auf unser Wiedersehen! Allerdings bitte nicht zu bald, ich habe noch einiges vor in diesem Leben! :)
Dass unser Sohn Stunden später tot sein würde, war nicht in meinen Gedanken.
Heute ist es 20 Jahre her. Am 07. Januar 1994 ist Marvin gestorben. Geboren am 1. Weihnachtstag 1993.
Das erste Jahr danach ist stückweise so gut in Erinnerung, als wäre es gestern gewesen, dann wieder gar nicht in Erinnerung, als hätte es nicht stattgefunden.
Abgesehen von prägnanten Situationen, habe ICH nicht stattgefunden.
Manchmal denke ich heute, dass die Tatsache, dass wir noch unseren Ältesten hatten (damals gute 3 Jahre alt), mich überhaupt im Leben gehalten hat.
Ein Jahr hat es gedauert, bis ich auch mal an etwas anderes denken konnte, als daran, dass mein Sohn gestorben ist.
Ein Jahr Fassungslosigkeit, Verzweiflung, Kampf, Tränen, Überforderung.
Funktionieren für den Erstgeborenen, akzeptieren, dass mein Mann sich in die Arbeit flüchtet, einsehen, dass die Erde sich einfach weiterdreht. Totale Trauer, totale Finsternis und absolute Hoffnungslosigkeit.
Dann kam die Wut. Schon im Krankenhaus hatte ich gemerkt, dass mit Marvin etwas nicht stimmte. Warum hat mich keiner ernst genommen? Warum passiert uns das? So viele Kinder werden nicht geliebt, nach der Geburt ausgesetzt, misshandelt...
warum wird uns unser Sohn genommen?
Ich habe dann akribisch den Obduktionsbericht durchgearbeitet. Habe mir die ganzen Fachausdrücke übersetzt, wollte einen Schuldigen finden, dem ich meine Wut und Verzweiflung ins Gesicht schleudern kann.
Es folgten Gespräche mit Frauen - und Kinderarzt und ich musste akzeptieren, dass es nicht zu retten war.
Selbst wenn man den 4fachen Herzfehler entdeckt hätte, so wäre niemand auf die Idee gekommen, dass die Speiseröhre nicht am Magen endet, sondern einfach vorher abzweigt.
Das dauerte ebenfalls ein gutes Jahr. Es tat gut einfach etwas zu tun. Meinen Job hatte ich gekündigt, weil ich nicht einfach so weitermachen konnte, als wäre nichts geschehen. Inzwischen trauten Bekannte sich wieder an uns ran, aber durch meine Wut hielten es nur die Vertrautesten in unserer Nähe aus.
Nach der Wut kam die Trotzphase. "Das Leben ist mir was schuldig" war meine Devise. Wir umgaben uns mit Freunden, feierten viel, haben quasi trotzig ´das Leben in vollen Zügen genossen`.
Irgendwann war auch das vorbei und wir kamen wieder in die Spur. In dieser Zeit habe ich dann auch die "Marvin-Geschichte" aufgeschrieben. Bis ins kleinste Detail, jedes Wort und jeden Blick. Das hat mir sehr geholfen.
Viele Gespräche zwischen uns machten deutlich, dass mein Mann ebenso leidet wie ich, es nur anders handhabt.
Wir versuchten bewusst wieder zueinander zu finden. Nicht nur oberflächlich, sondern tatsächlich.
Das war ein weiter Weg und schließlich wussten wir: wir wagen es, wir möchten noch ein Kind.
Am 01. Januar 1998 ist uns dann ein gesundes Baby geschenkt worden.
Genau in die "Lebenszeit von Marvin" hinein. (25.12.-07.01.)
Abgesehen davon, dass wir natürlich große Angst hatten, dass wieder was passiert, sind wir damit wieder im Leben angekommen. Gelegentlich hatte ich ein schlechtes Gewissen Marvin gegenüber, weil wir ihn irgendwie "ersetzt" hatten. Aber der Gedanke war dann auch immer schnell wieder weg. Das eine hat ja mit dem anderen nichts zu tun.
Obwohl also alles schön war jetzt, war es jedes Weihnachten wieder so weit: Trauer. Und ich konnte mir nicht vorstellen, dass das jemals aufhören würde. Jedes Jahr am 07. Januar bin ich zum Friedhof gepilgert, habe Blumen und Kerzen gebracht und mit meinem verstorbenen Sohn ´geredet`.
2005, also 11 Jahre nach Marvins Tod, traf ich auf eine spirituelle Lehrerin, die mir gleich sagte, dass eine Seele bei mir sei. Ein Junge. Ich brach in Tränen aus, erzählte ihr alles und begann eine spirituelle ´Ausbildung` bei ihr. Das war der Beginn meines bewusst spirituellen Weges und vor allem, bedeutete es Heilung für mich.
Seitdem habe ich meinen Frieden gemacht mit dem was geschehen ist. All meine drängenden Fragen wurden beantwortet. Warum ist das geschehen? Wie geht es meinem kleinen Sohn jetzt? Habe ich Fehler gemacht?
Dann endlich konnte ich loslassen und annehmen was passiert ist.
Aus spiritueller Sicht hat jede Seele ihren ureigensten Plan wenn sie auf diese Welt kommt. Dinge die erlebt werden wollen, Herausforderungen die gemeistert werden wollen, Lektionen die gelernt werden wollen.
Marvin, also die Seele, wollte Geburt und Tod erfahren. Das war sein Plan und den hat er durchgezogen. :)
Meinem Glauben nach suchen wir uns, bevor wir auf die Erde kommen, die Eltern aus, die uns erlauben unsere gewünschten Erfahrungen zu machen.
Wir wiederum haben uns bereit erklärt diese Erfahrung als Eltern zu machen.
Natürlich haben wir hier auf der Erde unseren freien Willen und jederzeit Entscheidungsfreiheit und Macht. Wichtig ist aber, dass wir an keiner Erfahrung die wir hier machen zerbrechen "müssen". Wir haben als Seele erklärt, diese Erfahrung machen zu wollen, weil wir uns für stark genug hielten.
Man kann von dieser Sicht sicherlich halten was man will, mir hat es geholfen, das Geschehene zu akzeptieren - und - dankbar zu sein.
Nur durch das alles bin ich auf den spirituellen Weg gekommen. Ich weiß das Leben zu schätzen und bin dankbar für Dinge, die für andere selbstverständlich sind.
Ich habe eine große innere Kraft gewonnen durch den Tod meines Sohnes. Was bitte soll mich ernsthaft verletzen, wenn ich DAS überstanden habe?
Zudem bin ich glücklich darüber, dass wir Marvin, also der Seele, diese Erfahrung ermöglicht haben und ich weiß, dass er glücklich ist, dass wir unser Leben weiterhin genießen.
Auch das ist ein ganz wichtiger Punkt in meinen Augen. Unsere lieben Verstorbenen leiden mit uns wenn wir sie nicht loslassen können.
Was ich ebenfalls recht klar erkannt habe ist, dass Trauer sehr sehr nah am Selbstmitleid ist. Der Übergang ist recht fließend.
Vielleicht gehe ich in einem gesonderten Beitrag noch einmal genauer darauf ein. Dieser hier ist Marvin gewidmet. :)
Marvin. Geboren am 25.12.1993 in Oldenburg, gestorben am 07.01.1994 im Krankenwagen auf der Autobahn zwischen Oldenburg und Bremen.
Ich freu mich schon auf unser Wiedersehen! Allerdings bitte nicht zu bald, ich habe noch einiges vor in diesem Leben! :)
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