Donnerstag, 12. Mai 2011
Erziehung auf Augenhöhe
lightnings, 12:38h
Tja, da sitzt er da, und ich sehe deutlich das Lächeln in seinen Augen. Oder ist es eher ein Grinsen? Auf jeden Fall völlig unpassend. Ja, oder auch nicht. Ich möchte auch am liebsten lachen. Ich bin nur Zeugin der Situation, nicht aktiv beteiligt. Also wenn der Junge spüren,fühlen,sehen kann was ich „sehe“, dann kann er nur lächeln. Die Erwachsenen die ihm da gerade einen Vortrag halten über sein schlechtes Betragen, wirken wie schlechte Schauspieler. Sie sitzen ihm mit einer Arroganz gegenüber, die ein Kristallkind nur zum Lächeln bringen kann, und sie verteidigen ihre Empörung, dass es wirklich zum Lachen ist.
Wir Erwachsenen sind ja gerne mal empört über das Verhalten der Kids. Manchmal frage ich mich: warum eigentlich?
Und: ist die Empörung nicht dann am größten, wenn wir wissen, dass sie eigentlich Recht haben?
Da sagt der 5.Klässler zur Lehrerin, nachdem sie ihn ermahnt:“Sie halten sich doch selber nicht an die Regeln!“ Uff. Hätte ich als 5.Klässerin wohl so auch nicht zur Lehrerin gesagt. :-)
Aber diese Aufregung, die sie jetzt an den Tag legt, kann ich auch nicht nachvollziehen.
Als ich sie frage, warum er das wohl gesagt hat, was ihn dazu veranlaßt hat, antwortet sie nicht.
DAS wäre aber doch jetzt das gewesen, was mich an ihrer Stelle interessiert hätte, oder nicht?
Aber das hätte bedeutet, dass sie sich selber kritisch hätte betrachten müssen. Und das fällt uns sehr schwer. Ich konnte das nicht prüfen, aber ich bin mir 100%ig sicher, dass der 5.Klässler einen Anlass für diesen Ausspruch hatte. Warum gehen wir dem nicht nach?
Dann ist da die Mutter die sich lautstark aufregt, weil der 14jährige nicht pünktlich nach Hause kommt. Er schaut sie nur an und grinst. Darüber regt sie sich natürlich noch mehr auf, und so sagt er schließlich:“Du bist doch auch nie pünktlich.“ Biiingoooo!!! :-)
Da hat er Recht. Weiß ich aus eigener Erfahrung. Sie hat Probleme mit dem pünktlich sein, und vergisst auch schon mal ganz gerne Termine komplett.
Die Mutter die sich beschwert, dass ihr Sprössling so respektlos mit ihr spricht, ist übrigens auch die, die drei Gänge weiter noch zu hören ist: „Lass deine dreckigen Finger davon!!“ „Du nervst! Halt die Klappe jetzt!!“ Klar, dass die Kleine das übernimmt und mit ihrer Mutter dann genauso spricht, und im Extremfall eine Ohrfeige dafür bekommt. Das Besondere an Kristallkindern ist nun, dass sie es trotz der Ohrfeige nicht lassen. Sie gehen das Risiko ein. Ihre Aufgabe ist es, uns auf uns und unser Verhalten aufmerksam zu machen.
Ebenso wird der 14jährige weiterhin unpünktlich sein, bis Mama anfängt nachzudenken, und der 5.Klässler wird noch den ein oder anderen Spruch machen.
Ich kann meinen Sohn nicht anmaulen weil er den Joghurtbecher nicht wegräumt, wenn ich meinen auch dauernd stehen lasse. Kristallkinder nehmen das nicht hin. Das ist anstrengend, aber auch wunderbar. Wenn man es verstanden hat.
Sie sind eigentlich nie beleidigend, aber sie sind immer deutlich in dem was sie sagen. Und sie treffen den Nagel auf den Kopf. Sie legen den Finger in unsere Wunden, sie zeigen uns, dass auch wir nicht fehlerfrei sind. Autsch. :-)
Unsere normale, antrainierte, in unserer Kindheit selbst erfahrene Reaktion ist: Empörung.
„Wie kann er es wagen, respektlos, das verbitte ich mir“
Das war so lange einfach und hatte den gewünschten Effekt, wie die Kids sich davon beeindrucken ließen. Kristallkinder fürchten aber die Auseinandersetzung nicht. Sie ziehen nicht aus Angst vor Strafe zurück. Sie sind nicht durch Drohungen ruhig zu stellen. Sie haben einen Auftrag, und den ziehen sie durch. Furchtlos und weise sind sie. Und wir sind „harte Brocken“, ganz schön stur. :-)
Wenn wir unsere Fehler zugeben entspannt sich die Situation. Sie wollen uns nicht demütigen oder „kleinkriegen“, sie wollen nur, dass wir nachdenken. Über uns, unser Verhalten, unser Leben.
Natürlich haben wir Angst, dadurch ihren Respekt zu verlieren. Wir spielen ja eigentlich nur deshalb die Perfekten, weil wir unbedingt respektiert werden wollen. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass wir gerade dann, wenn wir mutig genug sind unsere Fehler zuzugeben, größten Respekt von unseren Kindern bekommen.
Wenn die Lehrerin den 5.Klässler gefragt hätte welche Situation er meint, hätte sie es ihm erklären können. Sie kann ihm erklären, dass die aufgestellten Regeln für die Schüler gelten, und wichtig sind, damit ihnen nichts passiert. Dass sie aber manchmal anders handeln muss, um die Übersicht zu behalten.
Wenn die Mutter des 14jährigen zugibt, dass Unpünktlichkeit ihr Schwachpunkt ist, kann sie mit ihm ins Gespräch kommen. Sie kann ihm erklären, dass sie sich Sorgen um ihn macht, und sie deshalb Pünktlichkeit möchte. Sie sollte ihm aber auch versprechen, selber daran zu arbeiten das in den Griff zu kriegen.
Es ist nicht so, dass wir von unseren Kids nichts erwarten dürfen ohne perfekt zu sein. Aber wir müssen mutig genug sein unsere Fehler, unsere Schwächen zuzugeben.
Wenn ich meinem Sohn sage, dass ich den Eindruck habe er sei Weingummi-süchtig ( :-) ), dann muss ich davor nicht das Rauchen aufhören. Aber ich erwähne es. Ich beginne das Gespräch damit, dass ich Suchtverhalten durchaus verstehe (und weise augenverdrehend auf die Zigarettenschachtel hin), sage ihm dann aber deutlich, dass ich erwarte dass er seinen Süßkonsum verringert.
(Daraus entstand dann übrigens ein wirklich tolles Gespräch über Menschen und ihre Süchte, aus dem ich viel gelernt habe.)
Und wenn ich möchte dass er sein Zimmer aufräumt, muss ich nicht vorher das ganze Haus putzen. Aber ich lasse mit einfließen, dass ich auch unbedingt ... und dass er jetzt bitte sein Zimmer aufräumt.
Wenn wir von unserem „hohen Ross“ herunter kommen, ist ein entspannter Umgang möglich, OBWOHL wir Erziehungsarbeit leisten. Kommunikation auf Augenhöhe. Mutig, aber machbar. Sie nutzen das nicht aus – ganz im Gegenteil. „Respekt, Alter“ :-)))
Wir Erwachsenen sind ja gerne mal empört über das Verhalten der Kids. Manchmal frage ich mich: warum eigentlich?
Und: ist die Empörung nicht dann am größten, wenn wir wissen, dass sie eigentlich Recht haben?
Da sagt der 5.Klässler zur Lehrerin, nachdem sie ihn ermahnt:“Sie halten sich doch selber nicht an die Regeln!“ Uff. Hätte ich als 5.Klässerin wohl so auch nicht zur Lehrerin gesagt. :-)
Aber diese Aufregung, die sie jetzt an den Tag legt, kann ich auch nicht nachvollziehen.
Als ich sie frage, warum er das wohl gesagt hat, was ihn dazu veranlaßt hat, antwortet sie nicht.
DAS wäre aber doch jetzt das gewesen, was mich an ihrer Stelle interessiert hätte, oder nicht?
Aber das hätte bedeutet, dass sie sich selber kritisch hätte betrachten müssen. Und das fällt uns sehr schwer. Ich konnte das nicht prüfen, aber ich bin mir 100%ig sicher, dass der 5.Klässler einen Anlass für diesen Ausspruch hatte. Warum gehen wir dem nicht nach?
Dann ist da die Mutter die sich lautstark aufregt, weil der 14jährige nicht pünktlich nach Hause kommt. Er schaut sie nur an und grinst. Darüber regt sie sich natürlich noch mehr auf, und so sagt er schließlich:“Du bist doch auch nie pünktlich.“ Biiingoooo!!! :-)
Da hat er Recht. Weiß ich aus eigener Erfahrung. Sie hat Probleme mit dem pünktlich sein, und vergisst auch schon mal ganz gerne Termine komplett.
Die Mutter die sich beschwert, dass ihr Sprössling so respektlos mit ihr spricht, ist übrigens auch die, die drei Gänge weiter noch zu hören ist: „Lass deine dreckigen Finger davon!!“ „Du nervst! Halt die Klappe jetzt!!“ Klar, dass die Kleine das übernimmt und mit ihrer Mutter dann genauso spricht, und im Extremfall eine Ohrfeige dafür bekommt. Das Besondere an Kristallkindern ist nun, dass sie es trotz der Ohrfeige nicht lassen. Sie gehen das Risiko ein. Ihre Aufgabe ist es, uns auf uns und unser Verhalten aufmerksam zu machen.
Ebenso wird der 14jährige weiterhin unpünktlich sein, bis Mama anfängt nachzudenken, und der 5.Klässler wird noch den ein oder anderen Spruch machen.
Ich kann meinen Sohn nicht anmaulen weil er den Joghurtbecher nicht wegräumt, wenn ich meinen auch dauernd stehen lasse. Kristallkinder nehmen das nicht hin. Das ist anstrengend, aber auch wunderbar. Wenn man es verstanden hat.
Sie sind eigentlich nie beleidigend, aber sie sind immer deutlich in dem was sie sagen. Und sie treffen den Nagel auf den Kopf. Sie legen den Finger in unsere Wunden, sie zeigen uns, dass auch wir nicht fehlerfrei sind. Autsch. :-)
Unsere normale, antrainierte, in unserer Kindheit selbst erfahrene Reaktion ist: Empörung.
„Wie kann er es wagen, respektlos, das verbitte ich mir“
Das war so lange einfach und hatte den gewünschten Effekt, wie die Kids sich davon beeindrucken ließen. Kristallkinder fürchten aber die Auseinandersetzung nicht. Sie ziehen nicht aus Angst vor Strafe zurück. Sie sind nicht durch Drohungen ruhig zu stellen. Sie haben einen Auftrag, und den ziehen sie durch. Furchtlos und weise sind sie. Und wir sind „harte Brocken“, ganz schön stur. :-)
Wenn wir unsere Fehler zugeben entspannt sich die Situation. Sie wollen uns nicht demütigen oder „kleinkriegen“, sie wollen nur, dass wir nachdenken. Über uns, unser Verhalten, unser Leben.
Natürlich haben wir Angst, dadurch ihren Respekt zu verlieren. Wir spielen ja eigentlich nur deshalb die Perfekten, weil wir unbedingt respektiert werden wollen. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass wir gerade dann, wenn wir mutig genug sind unsere Fehler zuzugeben, größten Respekt von unseren Kindern bekommen.
Wenn die Lehrerin den 5.Klässler gefragt hätte welche Situation er meint, hätte sie es ihm erklären können. Sie kann ihm erklären, dass die aufgestellten Regeln für die Schüler gelten, und wichtig sind, damit ihnen nichts passiert. Dass sie aber manchmal anders handeln muss, um die Übersicht zu behalten.
Wenn die Mutter des 14jährigen zugibt, dass Unpünktlichkeit ihr Schwachpunkt ist, kann sie mit ihm ins Gespräch kommen. Sie kann ihm erklären, dass sie sich Sorgen um ihn macht, und sie deshalb Pünktlichkeit möchte. Sie sollte ihm aber auch versprechen, selber daran zu arbeiten das in den Griff zu kriegen.
Es ist nicht so, dass wir von unseren Kids nichts erwarten dürfen ohne perfekt zu sein. Aber wir müssen mutig genug sein unsere Fehler, unsere Schwächen zuzugeben.
Wenn ich meinem Sohn sage, dass ich den Eindruck habe er sei Weingummi-süchtig ( :-) ), dann muss ich davor nicht das Rauchen aufhören. Aber ich erwähne es. Ich beginne das Gespräch damit, dass ich Suchtverhalten durchaus verstehe (und weise augenverdrehend auf die Zigarettenschachtel hin), sage ihm dann aber deutlich, dass ich erwarte dass er seinen Süßkonsum verringert.
(Daraus entstand dann übrigens ein wirklich tolles Gespräch über Menschen und ihre Süchte, aus dem ich viel gelernt habe.)
Und wenn ich möchte dass er sein Zimmer aufräumt, muss ich nicht vorher das ganze Haus putzen. Aber ich lasse mit einfließen, dass ich auch unbedingt ... und dass er jetzt bitte sein Zimmer aufräumt.
Wenn wir von unserem „hohen Ross“ herunter kommen, ist ein entspannter Umgang möglich, OBWOHL wir Erziehungsarbeit leisten. Kommunikation auf Augenhöhe. Mutig, aber machbar. Sie nutzen das nicht aus – ganz im Gegenteil. „Respekt, Alter“ :-)))
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