Montag, 10. März 2014
Sensibilität (Sensitivität) und Abgrenzung
Fluch oder Segen? Ich weiß es immer noch nicht.
Mal so, mal so, wahrscheinlich.

Ich betrete einen Raum und weiß sofort, dass hier irgendwas
nicht stimmt. Wir sitzen in einer netten Runde zusammen und
ich werde traurig, weil irgendwas nicht stimmt.
Ich habe eine/n Kunden/in an der Kasse und bleibe betroffen zurück,
obwohl es ein ganz normaler Kassiervorgang war.
Jemand kommt mir immer wieder in den Sinn und ich weiß,
da stimmt was nicht.
Ich lese eine ganz normale Mail oder Nachricht auf FB
und weiß, dass da was nicht stimmt.

Es braucht keine Worte, keinen Blick, keine Analyse der
Körperhaltung, keine sonstige Beobachtung - es ist einfach
das Gefühl.
Und ich muss bewusst die Entscheidung treffen, das jetzt
nicht fühlen zu wollen.

Vor 9 Jahren, in meiner spirituellen Grundausbildung, saßen
wir in einem Kreis zusammen und alles war gut.
Nur dass ich immer trauriger wurde und schließlich wirklich
nicht mehr anders konnte als zu weinen.
Und das war gut so, denn so wurde es zum Thema.
Ich habe meiner Ausbilderin erzählt, dass es mir oft so geht.
Dass alles in Ordnung zu sein scheint, dass es mir gut geht
und plötzlich so ein Gefühl in mir hochkommt, was ich mir
nicht erklären kann.

Es kommt vor, dass ich in einer gemütlichen Runde, mit netten,
fröhlichen Menschen sitze und plötzlich super-traurig werde.
Es kommt vor, dass jemand etwas erzählt und ich fühle ganz
genau, dass das was er/sie sagt, nicht mit seinen/ihren
Gefühlen übereinstimmt.
Es kommt vor, dass ich in einem Raum mit vielen Menschen bin,
zum Beispiel bei einer großen Feier oder auch bei einem
Konzert, und plötzlich werde ich traurig. Aber richtig.

Es kommt vor, dass ich eine Mail bekomme, die sich ganz
alltäglich liest und ich kann mich kaum auf den Inhalt
konzentrieren, weil ich so traurig werde.
Es kommt vor, dass eine Person aus meinem Umfeld immer
wieder, eigentlich grundlos, in meinen Gedanken auftaucht
und ich sehr traurig werde.

Man gilt übrigens als etwas seltsam, wenn man in einer fröhlichen
Runde plötzlich abschaltet, weil man so viel Traurigkeit in sich spürt.^^

Und es ist auch nicht immer ratsam, eine Person darauf anzusprechen.^^

Man macht sich bei den wenigsten Menschen beliebt, wenn man
auf eine alltägliche Mail antwortet: du ´klingst`so traurig,
kann ich was für dich tun?^^
Zudem versaut man sich ja selber gehörig den Abend, wenn man
statt fröhlich mit zu feiern, große Traurigkeit in sich spürt.

Es kommt auch vor, dass jemand wirklich sehr freundlich zu mir ist,
ich aber ein ganz anderes Gefühl habe.
Es kommt auch vor, dass Menschen mir ihren Standpunkt erklären,
ich aber genau fühle, dass es eben nicht so ist, wie sie sagt.
Es kommt vor, dass mir jemand von einem anderen Menschen
etwas erzählt, und ich genau weiß - ne. So ist es nicht.

Was ist das? Und - ist es gut oder schlecht?

Sensibilität ist das.
Bor, bist du empfindlich! ist das nicht. ;-)
Sensibel, noch genauer sensitiv nennt man das.
Und wenn man die Abgrenzung, den Schutz vernachlässigt,
ist es sehr belastend.

Meine Ausbilderin hat mir dann erklärt, dass die Traurigkeit
die mich gerade zum Weinen bringt, nicht meine ist.
Sie ist Medium, wusste also längst, wessen Gefühl ich
aufgenommen hatte. :-)
Wir haben es dann gemeinsam erarbeitet, was zur Folge
hatte, dass eben diese Person sich endlich aussprechen
konnte. (und natürlich auch geweint hat - nä, war schön! :-) )

Es ist also quasi so, als würde man mit einer offenen Mülltonne
durch die Straßen laufen und jeder schmeisst im Vorbeigehen
seinen Kackbeutel hinein. :-)
Nee, das klingt zu negativ.^^
Vielleicht ist es so wie ein ungeschütztes W-Lannetz.
Das gibt es doch, dass da draussen einer im Auto sitzt und
sich einklinkt? Genau so ist das.

Man läuft quasi mit ausgefahrener Antenne durch die Gegend
und empfängt alles was gesendet wird, ob man will oder nicht.

Und Menschen die traurig sind, senden am stärksten.
Also, für mich jedenfalls.

So. Und meine damalige Ausbilderin hat mir dann erklärt,
dass ich mich bewusst davor schützen muss.
Und das tue ich jetzt. Meistens jedenfalls. Manchmal nehme
ich es auch nicht ernst genug. Manchmal möchte ich aber auch
empfangen. Immer so je nach dem.

Wie schützt man sich?
Ganz einfach, indem man die Absicht hat und äussert.
Also bewusst denken: Ich bin geschützt, von einer schützenden
Hülle umgeben, es kommt nur durch, was gut für mich ist.
Oder: es kommen nur positive Gefühle und Emotionen zu
mir durch. Ich bin geschützt.
Sowas in der Art. Es kommt nicht wirklich darauf an, was
man sagt, bzw. denkt, wichtig ist die Absicht.

Es muss auch nicht ritualmäßig jeden Morgen, oder vor einer
Feier oder Zusammenkunft sein. Es reicht auch in dem Moment,
indem man spürt - ok, da kommt was.

Natürlich macht es auch Spaß, so ist es ja nicht.
Wenn ich meiner lokalen Lieblingsband lausche, lasse ich mich
gerne auf das ein, was sie senden und versuche, während ich mich
ihrer gefühlvollen Musik hingebe, herauszufinden, was da "im
Busch ist". :-)
Oder in einer Gesellschaft, die mich nicht WIRKLICH interessiert,
habe ich Freude daran, mich auf einen Menschen zu konzentrieren
und herauszufinden, was er/sie sendet.
In persönlichen, emotionalen, tiefen Gesprächen nutze ich es ganz
bewusst und erfahre viel nicht Ausgesprochenes.
Das kann hilfreich sein, interessant ist es auf jeden Fall.

Man muss nur auch damit umgehen dann. Das ist manchmal
nicht so einfach, weil man es äussern möchte, das aber nicht
immer und bei jedem angebracht ist.

"Ich könnt dir jetzt ganze Romane erzählen" sag ich dann manchmal,
um herauszufinden, ob derjenige es wissen will, oder nicht.

Dumm ist, wenn man den Moment des schützends total verbaselt
und die Dinge ihren Lauf nehmen. Die Erfahrung mach ich leider
immer mal wieder, obwohl ich ja eigentlich inzwischen wissen
müsste was los ist.
Dann ist der Abend dahin und ich kann mich nicht mehr auf die
Gespräche konzentrieren, weil einfach "zu viel los ist".
Ich langweile mich dann schnell, weil ich ja nicht äussern "darf", was
jetzt wirklich interessant wäre (also - aus meiner Sicht) und ja,
dann möchte ich eigentlich gehen.
Manches darf man auch nicht sagen, weil es verletzend wäre,
bzw. das Gegenüber es mit Sicherheit jetzt nicht hören möchte.
Das fällt mir dann auch schwer.
Oder man kennt das Gegenüber einfach nicht gut genug,
ist also schlichtweg nicht in der Position das jetzt sagen
zu dürfen. Das ist dann auch blöd. :-)

Aber immer zumachen möchte ich auch nicht, weil es eben
manchmal auch so spannend ist.

Vielleicht hast du dich wiedererkannt?
Dann weisst du jetzt immerhin, dass du nicht sonderbar, sondern
"nur" sensitiv bist. Und dass es eine Möglichkeit gibt, sich
zu schützen, sich abzugrenzen.
Aber nicht zuuu zu machen ( :-) ) , denn es gibt immer wieder
auch Menschen, die wirklich darauf warten, dass jemand sie
anspricht und sie endlich von ihren Gefühlen erzählen können. ;-)

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